InfoSperber: Wenn das Thai-Curry mit Ausbeutung gewürzt ist

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Für thailändische Auberginen, Reis und Poulet schuften ausländische Arbeitskräfte für Hungerlöhne und ohne soziale Absicherung.

Wer an thailändische Lebensmittel denkt, denkt zuerst an duftenden Reis, sämige Kokos-Currys und exotische Früchte. Das ist der schönere Teil der Wahrheit. Lebensmittel aus Thailand stecken auch in Fast-Food, Streuwürze und Fertiggerichten. Im vergangenen Jahr hat die Schweiz beispielsweise 600 Tonnen Pouletfleisch aus Thailand importiert – vor allem deshalb, weil es günstig ist.

Für den günstigen Preis bezahlen meist Migranten aus Thailands Nachbarländern, die diese Produkte anbauen und ernten. Sie und ihre Familien leben oft in der Illegalität, bekommen nicht einmal den Mindestlohn, haben kaum Rechte und wohnen in Bruchbuden auf den Plantagen. «Solidar Suisse» bezeichnet ihre Arbeits- und Lebensumstände als «unhaltbar».

Die Situation von Arbeitsmigranten in Thailand bessert sich, ist aber nicht gut

Thailand ist seit Jahrzehnten Einwanderungsland. Fünf Millionen Migranten arbeiten in Thailands Fabriken, in der Fischerei, als Hausangestellte und im Sexgewerbe. In der Landwirtschaft ersetzen sie zunehmend die einheimische Bevölkerung, die in die Städte abwandert, um einer höher qualifizierten und besser bezahlten Arbeit nachzugehen.

Die Situation der Arbeitsmigranten jedoch ist nach wie vor schlecht. So schlimm wie in der Sexindustrie sind die Zustände in der thailändischen Landwirtschaft zwar nicht. Auch in der Fischerei, wo lokale und internationale Organisationen seit Jahren gegen Sklaverei kämpfen, hat die Lage von Migranten sich zuletzt etwas verbessert. Rosig ist sie aber keineswegs.

Jeder zweite hat keine Papiere

Gemäss einer Untersuchung der Vereinten Nationen zur Migration in Thailand arbeiteten im Jahr 2018 436’000 registrierte ausländische Arbeitskräfte in der Landwirtschaft. Sie stammen vor allem aus den Nachbarländern Laos, Kambodscha und Myanmar. Die echte Zahl aller Arbeitskräfte liegt nach Schätzungen aber mindestens doppelt so hoch. Die Hälfte von 328 direkt befragten migrantischen Arbeitskräften hat nach eigenen Angaben keine gültigen Papiere, hat auch das «Mekong Migration Network» (MMN) im Januar wieder dokumentiert.

Einer der Gründe: Visa und Arbeitserlaubnis sind teuer. Dazu kommen Transportkosten und Zeitaufwand, um Behörden aus abgelegenen Gegenden überhaupt zu erreichen. Wer einen Vermittler beauftragt, bezahlt hohe Vermittlungsgebühren.

Für sich und ihren Mann bezahle sie so fast einen Jahreslohn für eine Aufenthaltsgenehmigung, berichtet eine Migrantin aus Myanmar. Mehrere Befragte klagen, dass ihre Arbeitgeber Pässe und andere Dokumente einbehalten, was Zwangsarbeit Vorschub leistet.

Die Hälfte des Mindestlohns muss reichen

Thailand hat zuletzt mehrere Versuche durchgeführt, um undokumentierte Ausländer zu registrieren. Komplett legal wurde ihr Aufenthalt dadurch jedoch nicht, sie sind weiter von Abschiebung bedroht.

Plantagenbesitzer nützen diesen unsicheren Status der Migranten aus. Ihre Löhne liegen zum Teil bei der Hälfte des thailändischen Mindestlohns. Dieser ist mit 308 bis 330 Thai Bath pro Tag (CHF 9,62 – 10,31) nicht eben hoch. Für eine Familie ausreichend wären etwa 500 bis 600 Bath.

Diskriminierung gibt es gratis obendrauf

Die Bezahlung der Arbeiterinnen ist oft noch schlechter. Dafür arbeiten sie im Durchschnitt täglich zehn Stunden, die Arbeitszeit kann sogar bis zu 19 Stunden betragen. Am meisten geschuftet wird auf den Kautschukplantagen. Einheimische, so berichten Migranten, hätten weniger harsche Arbeitsbedingungen, etwa mehr Pausen und einen höheren Lohn.

Arbeitsschutz? Unbekannt

Arbeitskleidung wie Gummistiefel oder Handschuhe müssen die Arbeiter selbst bezahlen. Ausrüstung zum Schutz vor Pestiziden hat fast niemand. Statt einer Maske, berichtete ein Befragter, benutze er ein T-Shirt. Viele arbeiten mit Chemikalien wie Pestiziden und Düngemitteln ohne vorherige fachliche Einführung. Die Furcht vor Arbeitsunfällen, die in der Landwirtschaft häufig sind, ist gross.

Die Unterkünfte, die meist die Arbeitgeber zur Verfügung stellen, bewertet das MMN als oft ungenügend, die hygienischen Standards als nicht ausreichend. Die meisten Arbeitskräfte migrieren mit ihren Familien, die diese Verhältnisse dann teilen.

Die Mehrheit der Arbeitskräfte ist sozial nicht abgesichert

Gegen Arbeitsunfälle und Krankheit sind die Arbeiterinnen und Arbeiter schlecht oder gar nicht abgesichert. Wer nicht permanent, sondern saisonal angestellt ist oder sich als Tagelöhner durchschlägt, fällt nicht unter die thailändischen Regulierungen. Nur sechs Prozent können die Sozialsysteme in Thailand in Anspruch nehmen, 28 Prozent hatten gar keine Sozialversicherung, knapp die Hälfte berichtete, dass ihre Kinder nicht krankenversichert seien.

Löhne hängen von der Ausbeute ab und werden nicht immer pünktlich bezahlt. Ein Zehntel der Befragten bekam ihnen zustehende Lohnzahlungen überhaupt nicht. Möglichkeiten, ihren Lohn einzufordern, haben die Arbeiter dabei kaum. Bezahlte Ferien gibt es nicht, freie Tage dann, wenn keine Arbeit da ist. Gängig ist auch die Praxis, Arbeitskräfte bei einer Plantage zu registrieren und sie bei Bedarf an die Nachbarn auszuleihen, was im thailändischen Rechtssystem nicht vorgesehen ist.

UN fordern bessere Regulierung und Kontrolle

Die Nichtregierungsorganisation MMN beschränkte sich bei ihrer Umfrage auf die Produkte Mais (der zur Geflügelmast angebaut wird), Kassava (Maniok), Kautschuk und Palmöl, hält die Zustände aber für übertragbar auf andere Lebensmittel, zum Beispiel Papaya, Reis und Ananas.

Internationale Organisationen wie die «International Labour Organisation» (ILO) fordern schon länger, migrantischen Arbeitern in Thailand ungeachtet ihres Anstellungsverhältnisses fundamentale Arbeiterrechte zuzusichern, sie in die sozialen Netzwerke einzuschliessen und ihnen zu erlauben, Arbeitnehmerorganisationen zu gründen. Bisher ist das nur Einheimischen erlaubt. Auch die Vereinten Nationen halten die bisherigen Bemühungen Thailands für nicht ausreichend und fordern bessere Regulierung und wirksamere Kontrollen.